Am nächsten Tag, ich war früher als sonst aufgewacht, stand ich auf, zog im Schlafzimmer die Vorhänge bei Seite und öffnete, so wie jeden Morgen, Türe und Fenster zur Terrasse um frische Luft und die Sonne herein zu lassen. Der Blick nach draußen schien wieder einen schönen und sonnigen Tag zu verheißen.
Zurück, am Bett vorbei, Richtung Bad, schaute ich noch einmal kurz zurück um mich dann Richtung Bad zu begeben. Ich kann nicht sagen, was es war, das mich aus einem unerfindlichem Grund gleich noch ein weiteres mal dazu veranlasste, zurückzublicken. Unbewußt hatten meine Sinne wohl etwas registriert, das bei mir selber aber noch nicht angekommen war.
Und da sah ich es… Auf meinem Nachttisch sitzend.
OMG
Ich kam mir regelrecht vor wie in einem dieser Disney Zeichentrickfilme, wo der Protagonist überdimensional große Stielaugen bekommt, mit mehreren Fragezeichen über dem Kopf und irgendwelchen Hupgeräuschen im Hintergrund, wenn er in eine ungläubige Situation gerät
Da saß ein Rieseninsekt, und ich übertreibe jetzt nicht, wenn ich schreibe, dass es an die 6 bis 7 cm lang war, an die ca. 2 cm breit und dazu mit langen Fühlern ausgestattet. Was mich im ersten Moment auch noch nicht weiter aus der Ruhe gebracht hätte.
Bei etwas Näherkommen erkannte ich jedoch, dass es sich bei diesem Insekt um eine riesige Kakerlake handelte, in XXXL-Format!!!
Ich weiß von Riesenkakerlaken, die sehr dunkel gefärbt sind mit einer Art geriffeltem Gliederkörper ohne Flügel (ich habe nochmal im Internet nachgesehen, z. B. sogenannte Madagascar Fauchschaben, die 4 bis zu 10 cm lang werden können, die aber in anderen Gegenden beheimatet sind).
Aber dass es so riesige Kakerlaken gibt, die so aussehen, wie die normalen Kakerlaken, wie sie auch in D bekannt sind, in einem eher hellerem Farbton, das hatte ich nicht gewußt.
Noch dazu auf den Seychellen und dann ausgerechnet in meinem Schlafzimmer auf dem Nachttisch…. Wenigstens war es nicht der Nachttisch, der direkt an meinem Kopfende stand, sondern der auf der anderen Seite des Bettes. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie bereits in meinem Zimmer war, bevor ich die Tür und Fenster geöffnet hatte.
Ok, dachte ich. Das will nun gut überlegt sein… was mache ich?
Mein erster Impuls war, mein Handy zu schnappen und ein Foto davon zu machen.
Das Handy befand sich aber im Raum nebenan und ich konnte nicht abschätzen, ob das Viech sich just in der Zeit aus dem Staub macht und sich dann blitzschnell irgendwo im Schlafzimmer in einer Ritze versteckt. Die würde ich nie wieder finden oder einfangen können. Somit hatte ich diesen Gedanken gleich wieder verworfen.
Natürlich wollte ich aber auch keine Riesenkakerlake irgendwo in meiner Unterkunft haben! Und schon gar nicht in meinem Schlafzimmer und schon gleich dreimal nicht unter meinem Bett!!!
Guter Rat war also teuer. Auch wunderte ich mich, dass sie bei Tageslicht da saß und sich nicht gleich aus dem Staub gemacht hatte, nachdem ich die Gardinen geöffnet hatte. Aber das konnte sich alles noch ändern…
Somit fiel auch meine bei großen Spinnen angewandte übliche Methode raus, ein Glas zu benutzen, um sie damit ins Freie zu befördern.
Der Weg war mir einfach zu lang hin und zurück.
Da fiel mir mein Zahnputzbecher aus Kunststoff im Bad ein, den ich mir zu Beginn im Supermarkt gekauft hatte. Ihn zu holen, wäre die schnellste Option, auch auf das Risiko hin, dass das Viech in der Zeit weg war. Keine hektischen Bewegungen machend, schlich ich vorsichtig ins Bad und schnappte mir den Becher. Ebenso tapste ich vorsichtig wieder zurück und bewegte mich gaaanz langsam auf den Nachtschrank mit der Kakerlake zu. Immer damit rechnend, eine Bewegung oder einen Schritt zuviel zu riskieren. Aber mein Plan ging auf… Als ich den Becher ganz langsam direkt über ihr in Position gebracht hatte und mich noch immer wunderte, dass sie noch immer ganz reglos dasaß, stülpte ich den Becher auch schon blitzartig über sie. Ha! Hab ich Dich!
Aber was war das? Hatte ich mich zuvor doch noch gewundert, dass die Kakerlake bis dahin keinerlei Regung gezeigt hatte, ging sie plötzlich ab wie Schmidts Katze. Oh man, hatte die in dem Becher getobt, wie ein Tornado ging sie ab. Da hat es regelrecht gepoltert und gerappelt da drin! Was mich dann auch schon vor das nächste Problem stellte. Da es sich nicht um Glas sondern ja nur um einen Plastikbecher, wenn auch in stärkerer, solider Qualität, handelte, hätte sie den Becher umgeworfen, sobald ich ihn losgelassen hätte. Ich hatte versuchsweise mit meiner Kraft mal etwas nachgelassen, den Becher fest nach unten zu drücken und sofort wackelte das ganze Teil als sie auch schon begann, ihren Kopf unten durchschieben zu wollen, die Fühler ragten schon nach draußen. Aber nichts da!
Wie also an das zweite Utensil gelangen, das ich benötigte und welches sich auf der anderen Seite des Bettes auf einem Tisch befand und was ich zuvor nicht bedacht hatte, weil ich mit so einer Kraft dieser Kakerlake nicht gerechnet hatte? Einer laminierten Informationsseite.
Mein Blick fiel auf die Nachttischlampe vor mir und trotz eingestecktem Kabel, reichte die Kabellänge dafür aus, sie auf dem Becher abzustellen, wobei ich aber erst noch meine Zweifel hatte, ob sie der Kakerlake standhalten würde, so leicht, wie die Lampe war. Aber es hielt.
Sodann das laminierte Infoteil geschnappt, vorsichtig unter den Becher geschoben und mit diesem Teil samt Becher darauf, weit von mir weggestreckt und noch im Pyjama, durch den Garten gelaufen, vor bis zur Straße und hier ein paar Meter weiter das Individuum in einem trockenen Regenkanal entlassen. Gut, dass es noch so früh am Morgen war und mich somit hoffentlich niemand dabei beobachtet hatte.
Meine wirklich sehr netten Gastgeber hätte ich ungerne damit kompromittieren wollen, was hätten sie auch tun oder sagen sollen?
Was mir allerdings noch durch den Kopf ging, ob die bei meiner Ankunft gesichteten kleinen, hellen Kakerlaken die gleichen waren aber halt noch klein? Somit wäre nicht ausgeschlossen, dass sich auch noch weitere Kakerlaken dieser Größe in meiner Unterkunft befinden könnten…
Aber auch hier half nur das Motto - Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß…
Ab da deponierte ich sämtliche Lebensmittel nur noch im Kühlschrank, wo sie, hoffentlich, relativ sicher vor ihnen sein würden.
Zudem zog ich ab da auch immer gleich den Reißschluss meines Koffers zu, nachdem ich etwas aus ihm entnommen hatte. Davor war das Oberteil immer nur aufgelegt und der Koffer wurde von mir nur geschlossen, wenn ich die Unterkunft verlassen hatte.
Nicht, dass mich, zurück in Deutschland, hier vielleicht noch eine weitere Überraschung erwarten würde…